Auf Sicht fahren

09.04.2020

Das Corona-Virus lähmt das öffentliche Leben und damit weite Teile der Wirtschaft. Wie man am besten darauf regiert, hängt vor allem davon ab, wann Unternehmen ihre Tätigkeiten wieder in vollem Umfang aufnehmen können. Wir haben mit dem renommierten Unternehmensberater Alfred Harl drei Szenarien durchgespielt.

Szenario 1: In zwei Wochen stellt sich ein Medikamenten-Mix als hochgradig wirksam bei der Behandlung von Covid-19 heraus. So gut wie niemand muss mehr sterben und rasch kehrt wieder Normalität ein. Was wäre in so einem Fall für Unternehmen zu tun?

Losgelöst davon, wie wir aus der Krise herauskommen, sollten alle Unternehmen aufgrund der Situation einige Maßnahmen setzen. Zunächst gilt es, ein klares Bild vom Ist-Stand zu gewinnen. Dieser kann für manche Unternehmen positiv ausfallen, wenn sie zum Beispiel Plattformen betreiben oder Schutzmasken herstellen, viele Betriebe werden dagegen mit negativen Auswirkungen zu kämpfen haben. Man denke an Handel oder Tourismus.

Genauso wichtig wie die Lagebestimmung ist die Kommunikation nach innen und außen. Den Mitarbeitern muss  Sicherheit vermitteln und klare Vorgaben geben. Etwa zu Aufgaben, Kurzarbeit und Homeoffice. Das gilt natürlich auch bei einem nahenden Ende der Krise. Dann gilt es zeitgerecht zu prüfen, wie man etwa die Kurzarbeit auflösen kann. Bei der Kommunikation nach außen stehen Kunden, Banken und Lieferanten im Vordergrund. Bei den Kunden muss geklärt werden, wann sie mit einem rechnen können, wann geliefert wird, ob und wann  Aufträge zu erwarten sind und auch wie stark die Kunden selbst betroffen sind. Damit verbunden müssen Unternehmen auch auf ihr Finanzmanagement achten. Ist das Mahnwesen aktuell?  Sind Außenstände  einzutreiben? Das Forderungsmanagement muss dann vielfach überarbeitet werden. Eine akkurate Finanzplanung ist in einer Krise überlebenswichtig.  Denn ohne Liquidität ist alles nichts. Diese muss  realistisch geplant werden. Bei der Kommunikation mit den Banken müssen sich Betriebe überlegen, ob sie sich selbst gerade einen Kredit geben würden – auch wenn der Staat Haftungen übernimmt. Doch wer vorher keinen Kredit bekommen hat, wird sich auch jetzt schwer tun. Proaktive Kommunikation ist jedenfalls Pflicht. Im Umgang mit Lieferanten gilt es Verbindlichkeiten im Auge zu behalten. Wie betroffen waren und sind sie? Können sie liefern? Habe ich selbst offene Verbindlichkeiten?  Egal in welche Richtung: Die Kommunikation sollte klar, präzise und faktenbasiert sein. Unternehmen müssen gleichzeitig auch Mut machen und anspornen.

„Nur Liquidität sichert das Überleben.“

Szenario 2: Eine Impfung, wie auch eine Medikation lassen auf sich warten. Weil die Wirtschaft nicht komplett zerstört werden soll, geht das Leben für jüngere Personengruppen trotzdem unter enormen Sicherheitsmaßnahmen ab Mitte April wieder weiter. Wie könnten sich Betriebe darauf vorbereiten wieder hochzufahren?

Betriebe sollten ihr Krisenmanagement und ihren Notfall-Managementplan aktivieren. Wer noch keinen Notfallplan hat, sollte einen erstellen und ein Team involvieren. Beim Hochfahren gilt es, laufend auf Veränderungen zu reagieren. Dabei sollten auch die verschiedenen Förderstellen und das AMS nicht vergessen werden. Mit ihnen  das Gespräch zu suchen, ist sinnvoll. Bei der mittelfristigen Analyse stellt sich die Frage,  ob  Kurzarbeit sinnvoll ist oder ob Mitarbeiter z. B. mit einer Wiedereinstellungsgarantie gekündigt werden müssen. Zu beurteilen ist auch, ob Mitarbeiter eher abgebaut oder eher gehalten werden sollen. A, Die Wiedereinstellungsgarnatie binded Mitabeiter zumindest moralisch und vermittelt Zugehörigkeit und Sicherheit.. Kann der Betrieb wirklich langsam wieder hochgefahren werden, benötigen Unternehmen einen Geschäftsplan, dessen Details laufend aktualisiert und bewertet werden müssen, um entsprechend vorher definierte Maßnahmen in Gang zu setzen. Empfehlenswert ist es, eine Zeitleiste zu visualisieren, Verantwortliche zu definieren und Maßnahmen fest zu legen. Kurz: Es gilt auf Sicht zu fahren.

Szenario 3: Die Lage bleibt langfristig unübersichtlich. Im Wochentakt erfolgen Verschärfungen, Lockerungen und wieder andere Maßnahmen. Planungssicherheit bleibt aber auf viele Monate hin nicht absehbar. Die Staatsverschuldung verschärft sich, die Infizierten-Raten steigen kontinuierlich und auch ein Finanzcrash wird immer wahrscheinlicher. Was sollten Unternehmen bedenken?

Auch hier hängt die Situation stark von der Branche und der Betroffenheit ab. Doch besonders  in diesem Szenario gilt es, ein Krisenmanagement mit allen Details aufsetzen. Betriebe sollten darin kurz- und mittelfristige Szenarien durchspielen und den Geschäftsplan konsequent aktuell halten. Auf Basis wöchentlicher Aktualisierungen können Betriebe kurzfristig die Richtung ändern und entsprechend der Szenarienpläne reagieren.

Zur Person

Alfred Harl ist ein auf Unternehmensorganisation, Digitalisierung und Change Management sowie Qualitätsmanagement spezialisierter Unternehmensberater.

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