Nur erfolgreiche Unternehmen wachsen
Als Unternehmen erfolgreich zu sein und zu bleiben, ist heute sehr anspruchsvoll, sagt Werner H. Hoffmann, Leiter des Instituts für Strategisches Management an der Wirtschaftsuni Wien. Die Digitalisierung kann helfen, doch nicht als Selbstzweck, sondern nur, wenn digitale Technologien Kundenprobleme besser oder billiger lösen als bisher.
Interview: Alexandra Rotter
Wie wichtig ist heute Wachstum, um als Unternehmen in der globalisierten Welt zu überleben?
Es zeigen alle Studien dazu, dass Unternehmen auf Dauer nur profitabel bleiben, wenn sie wachsen. Kurzfristig kann man in Durststrecken die Profitabilität erhöhen, indem man nicht in Wachstum investiert und restrukturiert. Aber langfristig heißt profitabel sein, gesund und nachhaltig zu wachsen. Auch in der Natur ist Wachstum überlebenswichtig. Natürlich ist es durch knappe Ressourcen und den Wettbewerb um diese beschränkt, aber die erfolgreichen Spezies wachsen auf Kosten der weniger erfolgreichen. Das ist in der Wirtschaft nicht anders. Unternehmen konkurrieren um knappe Ressourcen, Marktanteile, Kunden und Umsätze.
Was halten Sie von der Argumentation der Wachstumskritiker?
Ich stehe den Konzepten einer wachstumslosen Gesellschaft sehr skeptisch gegenüber. Das funktioniert meiner Ansicht nach weder für Unternehmen noch für Volkswirtschaften. In einer saturierten Gesellschaft kann man darüber diskutieren. Aber für geradezu moralisch verwerflich halte ich es, einem Entwicklungsland die segensreiche wachstumslose Gesellschaft näherbringen zu wollen. Durch Wachstum fällt auch Umverteilung leichter: Ich muss niemandem etwas wegnehmen und kann Benachteiligten etwas dazugeben.
Sie haben natürliche Ressourcen angesprochen: Sind dem Wachstum da nicht Grenzen gesetzt?
Ich plädiere klar für Wachstum, aber für nachhaltiges und gesundes Wachstum. Aus ökologischer Sicht muss Wachstum vor allem vom Verbrauch nicht nachwachsender Rohstoffe entkoppelt sein. Wichtig ist, dass weniger der nachwachsenden Rohstoffe verbraucht werden als eben nachwachsen können und dass möglichst wenig von den nicht nachwachsenden Rohstoffen wie Erdöl oder Kohle verbraucht werden. Dieses Thema lässt sich aber durch technologische Innovation lösen. Energie ist dafür ein gutes Beispiel: Wer heute geboren wird, hat wahrscheinlich eine gute Chance, eines Tages in einer Energieüberflussgesellschaft zu leben.
Gibt es Beispiele von Unternehmen, die nicht mehr wachsen können?
Es gibt Sektoren und Marktsegmente, die kein Wachstumspotenzial haben oder von Schrumpfung bedroht sind. Ein Beispiel ist der Bergbau. Auch die Landwirtschaft ist eine schrumpfende Branche – der Verarbeitungssektor jedoch schon nicht mehr. In schrumpfenden Bereichen setzt üblicherweise eine enorme Konsolidierung ein. Das heißt, Unternehmen können sehr wohl wachsen, indem sie andere aufkaufen oder mit ihnen fusionieren und so die Branche konsolidieren.
Was brauchen speziell KMU, um zu wachsen?
Besonders für KMU ist Wachstum in ihren Segmenten nahezu unverzichtbar. Dafür brauchen sie eine klare überlegte Strategie sowie deren konsequente Umsetzung, ein breit aufgestelltes Top-Management, das die Strategie auch bewältigen kann, und finanzielle Mittel, gerade wenn sie andere Unternehmen kaufen wollen. Eine hohe Eigenkapitaldecke, ein potenter Eigentümer oder auch eine Börsennotierung können vor allem hilfreich sein, wenn man extern wachsen möchte.
Vor welche Herausforderungen stellt die Globalisierung die Unternehmen?
Der Wettbewerb ist viel schnelllebiger geworden, Rahmenbedingungen ändern sich rascher. Man muss mit größerer Umfeldunsicherheit und -dynamik zurechtkommen. Der Innovationsdruck ist derzeit aufgrund neuer Technologien und der Digitalisierung sehr hoch. Erfolgreich zu sein und vor allem über einen längeren Zeitraum zu bleiben ist heute sehr anspruchsvoll. Nokia hat das vorgelebt: Zehn Jahre lang wurde der Handyproduzent als europäisches Paradeunternehmen über den grünen Klee gelobt, fünf Jahre später waren sie faktisch tot. Das zeigt, wie schnell man aus einer Position der Stärke in eine Position der Schwäche kommen kann.
Was ist dabei am schwierigsten?
Die große Herausforderung unserer Zeit ist, mit hoher strategischer Unsicherheit zurechtzukommen, also Richtungs- und Ressourcenallokations- Entscheidungen zu treffen, obwohl man über die Zukunft, für die man diese Investments tätigt, eigentlich keine hinreichende Information hat. Wie zum Beispiel das Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien in fünf Jahren sein wird, kann heute niemand sagen. Das macht Managen und das Treffen strategischer Entscheidungen heute viel anspruchsvoller und risikoreicher. Man wird häufiger daneben liegen, auch wenn man die Entscheidung noch so professionell vorbereitet.
„Unternehmen bleiben auf Dauer nur profitabel, wenn sie wachsen.“
Wie können Entscheidungsträger damit umgehen?
Ein Weg ist, nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern Mittel auf verschiedene Entwicklungsvorhaben zu streuen, oder auch, nicht alles auf einmal, sondern in Stufen zu investieren. Dieses sequenzielle Investitionsverhalten und die Risikostreuung sind zwei wichtige Strategien, um bei hoher Unsicherheit noch rationale Investitionsentscheidungen zu treffen.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Unternehmen, die wachsen wollen?
Die Digitalisierung ist ein Megatrend, der nachhaltige Spuren in fast allen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen hinterlassen wird. Sie kann niemanden kalt lassen. Doch sie ist kein Selbstzweck, sondern nur dann gut und vernünftig, wenn sie hilft, Kundenprobleme besser oder billiger zu lösen als bisher. Der Onlinehandel von Büchern zum Beispiel bietet den Kunden eine Reihe von Vorteilen gegenüber einer Buchhandlung wie etwa Hauszustellung und Verfügbarkeit zu jeder Zeit an.
Müssen KMU heute wie Amazon denken?
Nein. Es geht darum, dass Unternehmen eine Meinung entwickeln, wie sie digitale Technologien als Wettbewerbsvorteil nützen können. Sie müssen überlegen, ob ihre Leistungen in zehn Jahren noch nachgefragt werden oder ob sie einen anderen Unternehmenszweck brauchen werden. Es kann sein, dass ihr Geschäft durch die Digitalisierung unter Druck kommt.
Wie schätzen Sie den Status quo der Digitalisierung bei österreichischen Unternehmen ein?
Studien zeigen, dass die Digitalisierung in Österreich als Herausforderung erkannt wurde. Aber Unternehmen, die eine Digitalisierungsstrategie haben und sich wirklich überlegen, wie sie digitale Technologien nützen können, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil aufzubauen, sind immer noch rar. Sie sollten die Digital Readiness ihres Unternehmens rasch unter die Lupe nehmen, darauf aufbauend eine Digitalstrategie für die wichtigsten Geschäftsfelder und -aktivitäten entwickeln und eine Road Map mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung definieren.
Was hält viele noch davon ab?
Es gibt noch Wissens- und Kompetenzbarrieren, aber auch motivatorische und Kannibalisierungsbarrieren. Neue Geschäftsmodelle stellen bestehende infrage oder graben ihnen das Wasser ab. Ein Beispiel ist Nespresso: Das erfolgreiche Konzept hat Nescafé, die alteingesessene Kaffeesparte von Nestlé, infrage gestellt. Kannibalisierung ist immer noch eine Barriere gegenüber neuen Geschäftsmodellen. Jeder Venture-Manager sagt zwar: Wir müssen uns selbst kannibalisieren, bevor es andere tun. Aber das ist leicht gesagt – und schwer getan!