„Eine Marktwirtschaft braucht reiche Banker“

Redaktion Die Wirtschaft
11.11.2013

Ein Gespräch mit dem amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger Roger Myerson über seinen Optimismus für die Eurozone, Ratschläge an Politiker und die Gemeinsamkeit von Investmentbankern und Parteibonzen.

Interview: Daniel Nutz

Roger Myerson gibt sich gut gelaunt und bescheiden. Andere hätten den Nobelpreis des Jahres 2007 genauso verdient wie er, sagt er. Aber es freue ihn, dass er heute hier sein dürfe. Es ist die Veranstaltung „Meet the Laureates“ der Außenwirtschaft Austria. Myerson steht in der Skylounge im Dachgeschoß der Wirtschaftskammer und blickt auf die Stadt. „Ich liebe Wien“, sagt er. Morgen werde er mit seiner Frau durch die Stadt flanieren. Heute wolle er aber noch über seine wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen.

Herr Myerson, Sie bezeichnen sich als Euro-Optimist. Worin liegt dieser Optimismus begründet?
Das Problem der Eurozone ist ein Bankenproblem. In diesem Zusammenhang gibt es Aufgaben zu bewältigen. Einige wurden bereits angegangen. Es gibt jetzt eine Bankenunion, die ich für sehr wichtig halte.
 
Stichwort Bankenregulierung. Was ist in der Vergangenheit falsch gelaufen?
Wir haben gesehen, dass in den vergangenen 30 oder 40 Jahren die Regulierung fundamental in die falsche Richtung gelaufen ist. Es ging darum, die Eigenkapitalquoten der Banken kontinuierlich zu senken. Dafür führte man sehr komplexe Verfahren zur Bewertung der Sicherheit von Investments ein. Leider konnte niemand von außen eine solche Bewertung vornehmen. Das war ein Fehler. Ich trete für simplere Regulationsmechanismen ein, weil die Komplexität der Regulierung in der Vergangenheit letztlich sehr viel Instabilität erzeugt hat. In Europa wurden die angeblich sicheren Staatsanleihen zu einem Problem. Und in den USA war es der Hypothekarmarkt.
 
Wie soll eine solche Regulierung aussehen?
Simpler. Finanzregulierungen sind ein sehr komplexes Thema. Aber zumindest die Grundlagen der Finanzregulierung sollten von durchschnittlich informierten Leuten verstanden werden können. Wenn man sich den Verlauf der Krise ansieht, dann liegt das Problem nicht darin, dass die Aufsichtsorgane die Regeln verletzten, sondern dass diese Regeln auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die zu viel Risiko zulassen.
 
In den USA waren zuletzt deutliche Anzeichen des Aufschwungs zu erkennen. Hat die expansive Geldpolitik der Regierung Obama jetzt Früchte getragen?
Ich würde nicht sagen, dass Obamas Weg der einzig richtige oder falsche war. Obama hat gleich nach seiner Wahl auf eine keynesianische Fiskalpolitik gesetzt. Ich hätte lieber gesehen, wenn er sich zuerst um eine Reform der Finanzmarktaufsicht gekümmert hätte. Ich sage nicht, dass Obama falsch lag. Aber ich glaube, dass er sehr stark von seinen ökonomischen Beratern dazu beeinflusst wurde.
 
Holen sich Politiker eigentlich auch Rat von Ihnen?
Ich hatte mit einigen Politikern schon gute Gespräche. Aber ich würde nicht behaupten, dass ich ein einflussreicher politischer Berater bin. Natürlich komme ich seit der Verleihung des Nobelpreises öfters mit Persönlichkeiten aus Regierungen oder politischen Parteien ins Gespräch. Ich sehe mich aber als Theoretiker, mit Schwerpunkt in der akademischen Arbeit.
 
Den Nobelpreis haben Sie 2007 für Ihre Erkenntnisse in Zusammenhang mit der Spieltheorie gewonnen. Wie unterscheidet sich ihr Blick auf die Welt von jener der Mainstreamökonomen?
Die meisten Ökonomen betrachten in ihrer Analyse Preise. Als Spieltheoretiker stehe ich auch in einer sozialwissenschaftlichen Tradition und interessiere mich für menschliches Handeln. Ich befasse mich also nicht ausschließlich mit Staatsdefiziten, Steuereinnahmen oder Handelsüberschüssen, sondern gehe auch der Frage nach, welche Regeln dem Handeln verschiedener Prozessteilnehmer zugrunde liegen.
 
Sie haben sich intensiv mit „Moral Hazard“ befasst. Also dem Phänomen, dass beispielsweise Banker nach Eigennutzen handeln, wenn ihr Handeln keine Konsequenzen hat. Wie unmoralisch ist das Geschäftsleben?
Der Terminus „Moral Hazard“ stammt aus der Versicherungswelt und ist somit nicht mit Moral im herkömmlichen Sinne gleichzusetzen. Kurz gesagt geht es darum: Wenn zwei Menschen eine Geschäftsbeziehung eingehen, gibt es ein Abkommen, wie sich beide verhalten. Der eine bezahlt beispielsweise jemanden, dass dieser eine bestimmte Arbeit tut. „Moral Hazard“ beschreibt das Problem, wenn man die Versprechen des anderen nicht kontrollieren kann. Deshalb arbeiten die meisten Menschen auch noch immer in Büros und nicht zu Hause. Dabei kann besser kontrolliert werden, ob sie auch wirklich was tun.
 
Diese Kontrolle wird immer schwieriger, je komplexer die Geschäfte werden. Wie kontrolliert man Investmentbanker effektiv?
Jede bedeutende Volkswirtschaft braucht Leute, welche die Ersparnisse für die Renten anlegen. Wir wollen natürlich, dass diese Ersparnisse mit möglichst hohen Ertragschancen investiert werden und die Verantwortlichen nicht irgendwelchen Versuchungen erliegen. Ich habe den Nobelpreis für meine Arbeiten im „Mechanism Design“ bekommen. Die Hauptaussage davon ist, dass sich das Problem des „Moral Hazard“ nicht umsonst lösen lässt. Wir müssen den Leuten Leistungsprämien zahlen. Wir müssen uns damit abfinden, dass Banker auch in Zukunft reich sein werden. Das heißt nicht, dass sie besser oder klüger sind als andere Menschen. Aber sie treffen eben diese wichtigen Entscheidungen. Eine Grundlage des „Moral Hazard“ ist, dass wir in Marktwirtschaften reiche Banker haben und im Kommunismus privilegierte Parteifunktionäre. Nur wenn man das versteht, kann man sich Gedanken machen, wie man dies reduziert.
 

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