Mehr Mut und Weitsicht
Sie wollten handeln statt reden und gründeten den Verein „Wirtschaft für Integration“: Ali Rahimi, der Teppichhändler und Georg Kraft-Kinz, der Banker. Im Interview mit der WIRTSCHAFT sprechen sie aus, was Österreich guttut.


Herr Rahimi, würden wir nach heutigem Fremdenrecht hier sitzen?
Ali Rahimi: Eher nein. Mein Vater ist zum Studium hierher gekommen. Er war also kein klassischer Einwanderer. Würde er aber heute hierher kommen um als Unternehmer tätig zu werden, wäre das wohl sehr schwer.
Wie gut waren seine Deutschkenntnisse vor der Einreise?
Ali Rahimi: Die waren gleich null. Mein Vater konnte lediglich Englisch. Aber er hat sich Deutsch rasch angeeignet, denn er wollte ja hier studieren. Möglicherweise würde er heute mit einem Touristenvisum einreisen und dann einfach da bleiben, womit die Probleme aber schon beginnen.
Warum brauchen wir Zuwanderung?
Kraft-Kinz: Menschen, die in einem fremden Land neu starten, bringen meist mehr Mut auf, als jene, die beschließen zu bleiben. Wir sind kein Land des Stillstands. Durch Zuwanderung entsteht Weiterentwicklung. Die größte unternehmerische Leidenschaft habe ich sehr oft bei Zuwanderern erlebt. Ich wünsche mir ein Klima, in dem jeder, der zur Weiterentwicklung unseres Landes beitragen möchte, willkommen ist.
Was läuft verkehrt in der Debatte?
Kraft-Kinz: Wir brauchen einen neuen Blick auf das Thema. Die Angst, überrannt zu werden ist absurd. Ohne Zuwanderung würde unser Land heute nicht mehr funktionieren. Das ist eine Tatsache. Österreich steht in einem internationalen Wettbewerb um Fachkräfte, Akademiker, Wissenschafter. Wenn wir die besten Köpfe nach Österreich holen wollen, brauchen wir ein entsprechendes Klima in diesem Land. Deshalb kämpfen wir für ein positives Bild des Miteinander.
Ali Rahimi: Es fehlt ein wenig an Respekt und Vertrauen. Natürlich darf die einheimische Bevölkerung auch etwas fordern, aber sie soll auch ein wenig stolz sein, dass diese Leute da sind und einen Beitrag für die Volkswirtschaft leisten. Wir sollten verstehen, dass wir einander brauchen, denn nur zusammen sind wir stark.
Was kann die Wirtschaft beitragen?
Kraft-Kinz: Wir brauchen insgesamt eine unternehmerfreundliche Standortpolitik. In Wien regen sich die Anrainer auf, wenn irgendwo ein Geschäft aufmacht. Jeder möchte um sich herum nur Ruhe und weder Verkehr noch Geschäfte. Die Fragen lauten: Wie wirtschaftsfreundlich ist unsere Gesetzgebung? Wie schaffen wir in der Öffentlichkeit eine Wohlmeinung gegenüber sich ansiedelnden
Betrieben und Menschen?
Wie kann man Zuwanderung vernünftig regeln?
Kraft-Kinz: Das Thema ist komplex, man kann es nicht in drei Sätzen erklären. Zu sagen, alle brauchen einen Deutschkurs ist grundsätzlich falsch. Wir wollen die Superakademiker und Top-Banker nicht reinlassen, ohne Deutschkurs? Na das schau ich mir an! Die brauchen Deutsch genauso wenig wie früher die Gastarbeiter. Wir haben die ja nicht geholt, damit sie unsere Kinder unterrichten, sie sollten am Bau malochen. Die Diskussion entspricht großteils überhaupt nicht dem, was wir Menschen brauchen. Die Politik muss endlich ihren Job machen und der Bevölkerung klar sagen, dass es ohne Wirtschaft kein Bruttoinlandsprodukt gibt.
Wie sinnvoll sind Quoten für Schlüsselkräfte?
Kraft-Kinz: Es gibt Schlüsselkräfte, die keinen Professorentitel haben. Auch ein Pizzakoch kann eine Schlüsselkraft sein. Wir brauchen Ehrlichkeit im Umgang mit der Frage, wer, wann, mit welcher Qualität und zu welchem Zweck zuwandert. Die Politik sollte sich darum kümmern, dass die Unternehmer das bekommen, was sie für ihre Entwicklung benötigen. In einer wachsenden Wirtschaft ist für mehr Leute Platz. Nehmen Sie Österreichs Erfolge in Osteuropa. Wenn wir dort nicht willkommen gewesen wären, hätte es die nie gegeben.
Ist das Innenministerium der richtige Ort für dieses Ressort?
Kraft-Kinz: Die Forderung eines Integrationsstaatssekretariats wiederholen wir regelmäßig. Österreich braucht einen Zuwanderungsmanager, eine Art Personalchef, der die ganze Zeit überlegt, wie man die besten Mitarbeiter nach Österreich bringt und sie gut integriert. Die Firma Österreich braucht ein professionelles Recruiting. Das kann nicht Aufgabe des Innenministeriums sein.
Wie gehen Sie bei der Auswahl von Projekten vor?
Ali Rahimi: Wir treffen uns im Vorstand und sondieren Vorschläge. Dabei zeigt sich, dass das Bildungsthema sehr stark vorkommt, denn Bildung ist ein Schlüssel für Integration. Deshalb haben wir zahlreiche Projekte an verschiedenen Schulen. Wir haben dabei auch viel über die Ängste der jungen Migranten gelernt.
Welche sind das?
Ali Rahimi: Oftmals geht es um die Fragen der Identität. Wohin gehöre ich? Junge Türken etwa, die sich versuchen zu integrieren, und doch immer nur als Türke gesehen werden. In der Türkei fühlen sie sich auch nicht zu Hause. Wir möchten aber auch das Thema der Jugendarbeitslosigkeit ansprechen. Wir wissen, dass es vielen Menschen Unbehagen bereitet, durch eine Straße zu gehen, die von arbeitslosen Jugendlichen belagert wird, ob nun Migranten oder auch nicht. Wir glauben, dass dieses Unbehagen bei Älteren durch Unwissen über die Jugendkultur ausgelöst wird.
Kraft-Kinz: Deshalb gehen wir im Rahmen der Miteinander-reden-Tour in Pensionistenheime. Dort wird ja die ausländische Pflegerin gerne in Schutz genommen, der anonyme ausländische Verbrecher aber verursacht Angst.
Warum geht es in der Debatte immer um Sprache?
Ali Rahimi: Unsere Landsleute mit Migrationshintergrund haben durch ihre Sprachkenntnisse und durch ihr kulturelles Know-how einen Wettbewerbsvorteil, von dem Österreich viel mehr profitieren könnte.
Kraft-Kinz: Die präpotente Forderung zum verpflichtenden Deutschkurs entspricht nicht dem, was Österreich in einem globalen Wettbewerb braucht. Wir wollen die Menschen doch einladen, ihr Poten-
zial bei uns in unserer Wirtschaft zu entfalten.
Wie wichtig ist es für österreichische Betriebe, ethnische Gruppen anzusprechen?
Kraft-Kinz: Allein in Wien leben 600.000 Mitbürgerinnen und Mitbürger mit migrantischem Hintergrund. Das ist eine enorme Kaufkraft. Diese Kunden wollen ordentlich betreut werden, alles andere ist geschäftsschädigend.
Wo soll der Verein in fünf Jahren stehen?
Ali Rahimi: Da sollte er mangels Bedarf bereits nicht mehr existieren. Das wäre der Idealfall. Wir arbeiten an unserer Selbstauf-lösung.
Für den Fall, dass sich das nicht ausgeht?
Kraft-Kinz: Wir haben eine ausführliche Roadmap bis 2014, aber das mit der Selbstauflösung ist kein Witz. Wir glauben daran, dass in Österreich in einigen Jahren nicht nur die Wirtschaft, sondern jeder Konsument versteht, welche Chance in der Integration liegt. Wir sehen, dass derzeit eine neue Qualität der Diskussion beginnt.
Ist der Wiener Wahlkampf ein Rückschlag für Ihre Bemühungen?
Kraft-Kinz: Wir wollen den vielfach verbreiteten Zerrbildern über Integration positive Bilder gegenüberstellen. Bilder all jener Menschen, die so viel Positives für das Zusammenleben in dieser Stadt beitragen. Wir sind umgeben von hungrigen leidenschaftlichen leistungswilligen Menschen. Ich glaube, das ist uns bereits gelungen, dass manche beginnen die Chance zu sehen.
Ali Rahimi: Nur mit sachlichen Themen werden wir es aber nicht schaffen. Wir müssen Emotion hineinbringen. Wir müssen in die Herzen der Bevölkerung vordringen. Wir müssen dem normalen Österreichischen Arbeiter sagen, dass der Migrant nebenan dazu beiträgt, dass auch sein Arbeitsplatz gesichert wird.
Werden Sie sich im Wahlkampf zu Wort melden?
Kraft-Kinz: Wir werden sicher etwas sagen, wenn uns etwas unangenehm auffällt. Aber alles werden wir nicht kommentieren. Wir sind keine Politiker, sondern betreiben einen Verein. Wir wollen da in keine Fettnäpfchen treten.
Was wünschen Sie sich für Wien?
Kraft-Kinz: Man muss aufhören, die Menschen auseinander zu dividieren. Migranten sind unsere Landsleute. Wien war das letzte Mal eine Weltstadt, als es multikulturell war. Wenn es in Wien einen Steirertag gibt und sich Hunderte in Tracht vor dem Rathaus versammeln, würde niemand auf die Idee kommen, sie als integrationsunwillig zu bezeichnen. Die Interessenvertretungen sind gefordert, etwas beizutragen.
Ali Rahimi: Die Kernfrage in einer Großstadt ist, wie gehen wir miteinander um. Da können wir zu einer Vorzeigeregion werden. Dazu braucht es aber den Mut sich hinzustellen und zu sagen, ich bin dafür.