Resilienz: Buzzword oder Kernkompetenz?
Immer neue Krisen. Die Dynamik der Veränderung nimmt stetig zu. Daher sollen Organisationen ihre Resilienz - also ihre psychische Widerstandskraft - erhöhen. Ist „Resilienz“ (immerhin das Wirtschaftswort 2022) nur ein Buzzword ohne echten Inhalt, oder die zentrale Zukunftskompetenz?
Ende Oktober folgten etwa 40 Interessierte den Ausführungen des Unternehmensberaters und Buchautors Oliver Haas (Senior Partner bei der Trigon Entwicklungsberatung) im Rahmen des Forum Personal Linz.
Führungskräfte und Organisationen sind recht unterschiedlich mit den Herausforderungen der letzten Jahre umgegangen. Sprechen wir von Resilienzkompetenzen in Zeiten von multiplen Krisen, so wird jedoch deutlich: Risiken zu vermeiden und abzufedern greift zu kurz! Die Resilienz in Organisationen zu stärken bedeutet, sowohl stabilisierende als auch dynamisierende Faktoren im Blick zu haben und so auszubalancieren, dass eine gesunde, nachhaltige (Über-)Lebensfähigkeit und Wachstum möglich sind. Das bedeutet, Risiken abzufedern und Chancen zu nutzen, loszulassen und zu bewahren, „Neues“ im Entstehen fördern und „Bewährtes“ vorwärtsgerichtet als Ressource mitzunehmen.
Doch was hilft ganz konkret, um die Resilienz der Organisation zu stärken? Der Vortragende hatte dazu konkrete Antworten:
1) Sich nicht nur auf die individuelle Resilienz verlassen
Wird über Resilienz gesprochen, denken wir meist an die Stärkung individueller Resilienz. Blicken wir auf Organisationen und ihre Teams, so wird bald klar: Es ist absolut hilfreich, wenn einzelne Menschen resilient agieren – aber das bedeutet noch lange nicht, dass die Organisation insgesamt resilient ist.
2) Eigenverantwortung und Selbststeuerung stärken die Anpassungsfähigkeit der Organisation
Eigenverantwortung wird durch Delegation gestärkt, doch das lässt sich nicht verordnen. Die unabdingbare Basis, um Eigenverantwortung übernehmen zu können und zu wollen, sind wechselseitiges Vertrauen und Zutrauen. So entstehen Räume für Mitarbeitende, ihre Expertise einzubringen, eigenverantwortlich Themen voranzubringen und den Austausch mit anderen zu suchen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dezentral Entscheidungen treffen zu können. Dies führt letztlich zu einer besseren Anpassungsfähigkeit der Organisation an sich verändernde Rahmenbedingungen.
3) Entwicklung von Ambiguitätstoleranz
Dynamische Zeiten und große Umbrüche bedeuten Unklarheit und Mehrdeutigkeit. Besonders in Transformationsprozessen zeigen sich unzählige Spannungsfelder, die wir nicht eindeutig auflösen, sondern nur zwischen den Polen balancieren können. Einige, beispielhafte Themen, bei denen es gilt Balancen zu finden sind Stabilität und Flexibilität, planen und experimentieren, Blick auf Erfahrungen der Vergangenheit und Lernen aus den Anforderungen der Zukunft. Je besser wir diese Ambiguitätstoleranz als Führungsteam akzeptieren und kleine Schritte nach vorne machen, ohne immer alles final gelöst haben zu wollen, desto weniger kommt es zu Überforderung und vorschnellen Entscheidungen.
4) Schwache Signale wahrnehmen
Viele wichtige Botschaften und Signale erreichen Individuen wie Organisationen zunächst singulär, unauffällig und sie passen oft nicht zur bisherigen Denklogik. Deshalb neigen wir dazu, sie auszublenden. Resiliente Organisationen hören tatsächlich das Gras wachsen. Im Laufe der Zeit wurden gute Antennen entwickelt, mit denen die schwachen Signale der zukünftigen Entwicklungen bewusst – und vor allem frühzeitig – wahrgenommen werden. Diese Fähigkeit zur Antizipation ist ein Frühwarnsystem für Risiken einerseits und ein Radar für Chancen andererseits.
5) In Szenarien denken
Auch in einer schwierigen, vermeintlich unplanbaren Welt wird Planung gebraucht. Durch die Auseinandersetzung mit scheinbar unmöglichen Szenarien kann die Organisation ihre Pfadabhängigkeit – also das Denken in gelernten Mustern – überwinden. Doch damit sind nicht nur „Alptraum-Szenarien“ gemeint, sondern durchaus auch Best-Case-Szenarien
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Resilienz ist vielschichtig und fordernd – aber auch lohnend. Wenn man es als Organisation ernst meint, handelt es sich um einen Entwicklungsprozess, der auch nie „abgeschlossen“ ist, da sich die Organisation auf Basis der Veränderungen im Umfeld stets weiterentwickeln und anpassen muss.
Abschließend wurden am Forum Personal Praxis- Empfehlungen für den erfolgreichen Umsetzungsprozess präsentiert:
1) Resilienzentwicklung braucht Top-Management-Attention
Resilienzentwicklung auf reiner Trainingsebene oder im betrieblichen Gesundheitswesen abzuarbeiten, reicht nicht aus. Die Bearbeitung von Organisation und Kultur ist Top-Management Aufgabe und Verantwortung. Kräftige, resilienzstärkende Mindset-Entwicklung im Management ist beispielgebend für die gesamte Organisation
2) Durchführung der Resilienzdiagnose im Managementteam
Es wird einerseits gemeinsam ein Bewusstsein für resilienzstärkende Faktoren entwickelt und andererseits werden fokussiert 2-3 Felder ausgewählt, bei denen es besonderen Handlungsbedarf in der aktuellen Situation des Unternehmens gibt. Diese Felder werden vertieft bearbeitet und für die Weiterentwicklung im Managementteam evaluiert.
3) Resilienz entwickeln
Resilienz-Skills und Tools als wesentliches Element in Leadership Ausbildungsprogrammen und Talentprogrammen zu integrieren stärkt auch die Gesamtorganisation. So werden Führungskräfte auf allen Ebenen zu Multiplikatoren
Quelle: Forum Personal