200 Jahre Piatnik

Spiele aus Wien für die Welt

Stefan Mayer
20.03.2024

Eine der renommiertesten Verlage für Gesellschafts- und Kartenspiele feiert seinen 200. Geburtstag. Die Wiener Spielkartenfabrik Piatnik existiert seit dem Jahr 1824. Das Unternehmen ist seit Generationen in Familienbesitz und will das weiterhin bleiben.

Keine zehn Jahre nachdem der Wiener Kongress nach der Niederlage Napoleon Bonapartes Europa neu geordnet hatte, wurde im Jahr 1824 in Wien Neubau mit einer Kartenmalerei der Grundstein für eine bis heute anhaltende Erfolgsgeschichte gelegt. Ein Mann mit Namen Anton Moser war damals Gründer und Chef des Unternehmens. Mehr als 100 Spielkartenmacher gab es zu diesem Zeitpunkt in Wien. Nur kurz bevor Moser sein Unternehmen gründete, wurde in Budapest Ferdinand Piatnik geboren. Der junge Ferdinand dürfte ebenfalls Interesse an Kartenspielen gehabt haben, denn er ging bei einem ungarischen Spielkartenmacher in die Lehre und kam infolge der traditionellen Wanderschaft eines Handwerksgesellen über den Umweg Bratislava nach Wien, um bei Moser zu arbeiten. Nur kurze Zeit später verstarb Moser allerdings und Piatnik übernahm als junger Mann im Jahr 1843 das Unternehmen.

Dieter Strehl
Piatnik Geschäftsführer Dieter Strehl

© Piatnik

Piatnik heiratete außerdem Mosers Witwe und sorgte für Nachwuchs: „Die beiden ältesten Söhne von Ferdinand Piatnik stiegen in das Unternehmen ein und seit 1882 heißt der Verlag Ferd. Piatnik & Söhne“, sagt Dieter Strehl, Geschäftsführer und Gesellschafter des Unternehmens. Strehl ist in fünfter Generation ein Nachkomme Piatniks. Im Jahr 1891 zog das Unternehmen in das Gebäude um, in dem es heute sitzt und produziert, in die Hütteldorfer Straße 229-231 im 14. Wiener Gemeindebezirk. Damals stellte man zudem auf moderne Industrieproduktion um und der neue Standort bot 20.000 Quadratmeter an Produktions- und Lagerfläche. Doch das Unternehmen wuchs nicht nur in Wien, sondern über die Grenzen hinaus. Durch die Übernahme anderer Spielkartenhersteller und Neugründungen von Spielkartenfabriken baute man weitere Standorte in den österreichischen Kronländern auf.

„Früher hatten wir eine Spielkartenfabrik in Prag, in Budapest und in Krakau und eine Papierfabrik in Slowenien. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde jedoch alles von den kommunistischen Regierungen enteignet“, erzählt Strehl. Letztlich blieb Piatnik nur der Standort in Wien, denn die Hütteldorfer Straße lag während der Besatzungszeit in der französischen Zone. Damit war es dem Unternehmen möglich, weiterhin ihren Geschäften nachzugehen. In den 1950er-Jahren entwickelte sich das Unternehmen vom reinen Spielkartenverlag zum Verlag mit Gesellschaftsspielen. Und als der Eiserne Vorhang fiel, eröffnete das Unternehmen wieder Vertriebsgesellschaften in Budapest und Prag, um eigene Produkte, aber auch Spiele von anderen Unternehmen zu verkaufen.

Mittlerweile hat das 200 Jahre alte Familienunternehmen ein Sortiment von 600 Artikeln im deutschen Sprachraum anzubieten, rund 100 Mitarbeiter*innen in Wien und vertreibt die Produkte von Australien bis Kanada weltweit sogar in 70 Ländern. Rund 25 Millionen Spielkartenpakete, drei Millionen Gesellschaftsspiele und eine Million Puzzles werden so jährlich verkauft. „Spiele sind in etwa wie Kinderbücher. Diese werden zuerst zu 3.000, 4.000, 5000 Stück aufgelegt. Unter diesen Stückzahlen würde sich der ganze Aufwand nicht rechnen“, erklärt Strehl die Vorgehensweise bei der Produktion. Ein großer Faktor, ob ein Spiel zu einem Erfolg wird oder nicht, ist die Auszeichnung „Spiel des Jahres“, die es in vielen Ländern gibt. Diese Spiele können dann durchaus eine Verkaufszahl von 400.000 Stück erreichen.

Activity Box
Wurde bereits über zwölf Millionen Mal verkauft: Activity

© Piatnik

Zu den erfolgreichsten Gesellschaftsspielen zählen bei Piatnik „Activity“, das sich seit der Einführung 1990 in den unterschiedlichen Sprachen über die Jahre zwölf Millionen Mal verkaufte, oder Tick Tack Bumm, das es seit 1992 gibt, und rund elf Millionen Mal über die Ladentische ging. Doch manchmal kann man potenzielle Spielehits übersehen, wie es zu Beginn bei einem Bestseller der vergangenen Jahre war. Zuerst lehnte man bei Piatnik das Spiel Smart 10, bei dem man zehn Antwortmöglichkeiten auf eine Frage hat, ab und wollte sich die Lizenz nicht sichern. Doch dann wurde das Spiel von anderen Verlagen im Ausland herausgebracht. „Das Spiel wurde in Dänemark und Schweden zum Spiel des Jahres erklärt“, so Strehl, und so sicherte man sich dann doch noch die freien Rechte für das Spiel in Ländern wie Deutschland, Ungarn und Slowenien. „Je länger man Spiele verlegt und versucht erfolgreiche Produkte auszusuchen, umso öfter passiert es einem, dass man daneben liegt“, gibt Strehl zu.

Piatnik Fabrik Wien um 1914
So sah die Piatnik Fabrik in Wien und die Umgebung im Jahr 1914 aus.

© Piatnik

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